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NFC Balance außen 3

„Man findet immer Inspiration“: In FRANKLIN Mitte mit Tobias Diener

RVI-Architekt Tobias Diener leitet seit März das Bauprojekt "Balance" auf der Mannheimer Konversionsfläche FRANKLIN. Das erste Wohngebäude der RVI-Gebäudefamilie „New Franklin City“ in Mannheim erhält gerade die Decke über dem 2. Obergeschoss – der Rohbau wird Ende des Jahres abgeschlossen. Um einen begrünten Innenhof herum entstehen insgesamt 100 Wohneinheiten in zwei Winkelgebäuden mit vier Vollgeschossen und einem Staffelgeschoss. Mit Tobias sprechen wir über seine Projektleitung auf FRANKLIN, was Balance ausmacht und warum gute Architektur standortspezifisch ist.

Als Architekt bist Du für die Leitung des Projekts „Balance“ in FRANKLIN-Mitte zuständig. Welche Verantwortungsbereiche und Aufgaben füllt ein Projektleiter aus?

Auch wenn die Planung für das Projekt schon abgeschlossen ist, kommt in der Bauphase immer noch die ein oder andere Änderung vor. Da gibt es kleinere Entwurfsaufgaben, die in meine Hände gelegt wurden. Gerade habe ich zum Beispiel eine kleine Planungsaufgabe zur Gestaltung der Fahrradwerkstatt. Ansonsten gibt es viele Dinge zu prüfen, wenn die Pläne von den Firmen kommen – die Elektroplanung zum Beispiel. Auch das Material, das auf die Baustelle kommt, muss geprüft werden: ob es den Anforderungen entspricht, ob die Abmessungen stimmen, ob es zur Planung passt, ob alle Gewerke in ihren Planungen übereinstimmen. Beispielsweise bestehen Abhängigkeiten zwischen dem Fenster- und dem Rohbau. Auch die Fertigteile – Balkone, Treppen und so weiter – müssen noch einmal geprüft werden, bevor sie endgültig bestellt werden können.

Du fährst jede Woche zur Baustellenbesprechung in Mannheim, zusätzlich betreut ein Bauleiter die Baustelle vor Ort. Wie gestaltet sich die Aufgabenverteilung zwischen Dir als Projektleiter und dem Bauleiter?

Der Bauleiter übernimmt größtenteils die Koordinationsarbeit mit und zwischen den Gewerken. Das ist notwendig, damit die Zeitabstände passen und die richtige Firma zum richtigen Zeitpunkt vor Ort ist. Wenn der Bau wächst, muss zum Beispiel auch das Gerüst mitwachsen. Der Abstimmungsaufwand wird größer, je mehr Gewerke später auf die Baustelle kommen. Im Moment sind nur 4-5 Gewerke gleichzeitig auf der Baustelle: Das Hauptgewerk ist der Rohbau, auch Elektriker, Installateure und Gerüstbauer sind da. Später, wenn alle Ausbaugewerke tätig werden, sind 60-70 Leute gleichzeitig auf der Baustelle und dann wird es vielfältiger. Im Moment muss noch alles Hand in Hand gehen – der Elektriker kann nicht schneller installieren, als der Rohbauer vorankommt – aber wenn das alles erst einmal steht, kann an jeder Ecke etwas anderes geschehen.

Welche architektonischen Besonderheiten an Balance möchtest Du besonders herausstellen?

Eine Holzfassade ist immer ein Hingucker an einem so großen Projekt. Sie prägt den Charakter des Gebäudes sehr stark und befindet sich bei Balance auch an einer sehr präsenten Stelle. Genau die Gebäudeecke, die zur Straßenbahnlinie hin orientiert ist, ist komplett mit dieser Holzfassade gestaltet. Das sieht man also sofort, wenn man mit der Straßenbahn ankommt und es ist etwas Besonderes, weil es ansonsten sehr viel Klinker und Putz in FRANKLIN-Mitte gibt. Im Zusammenspiel mit den Rankgewächsen, die geplant sind, bildet die Holzfassade eine schöne Kombination mit dem grünen Innenhof. Außerdem werden die Wohnungen über Laubengänge erschlossen, so dass sich Brücken bilden, die rund um den Innenhof führen. Ganz oben ist das Staffelgeschoss an diesem Laubengang zurückspringend, wodurch sich Nischen und damit auch schöne Dachterrassen ausbilden.

Welche besonderen Herausforderungen bringt dieses Projekt mit?

Ab einer bestimmten Größe ist eine vorgehängte Holzfassade eine brandschutztechnische Herausforderung. Die Herausforderung besteht darin, dass eine vorgehängte Holzfassade hinterlüftet sein soll, damit das Holz abtrocknen kann. Im Brandfall kann dadurch ein Kamineffekt entstehen – dieser Sog muss unterbrochen werden. Eine normalerweise brennbare Fassade muss durch bestimmte Maßnahmen also so modifiziert werden, dass sie zu einer nicht-brennbaren Fassade wird. In unserem Fall wird der Sogeffekt verhindert, weil wir eine geschlossene Fassade anbringen, die gleichzeitig Wassereindrang verhindert. Das ist eine Ausführung an unserem Gebäude, eine Mischung aus einem vorgefertigten Produkt und individuellen brandschutztechnischen Anpassungen. Es ist interessant, dass man mit den Materialien immer wieder neu umgehen muss, um die Anforderungen zu erfüllen.

Du hast eben eine Fahrradwerkstatt für die Bewohner:innen erwähnt.

Genau. Wir haben eine gemeinschaftlich nutzbare Fahrradwerkstatt im Erdgeschoss geplant. Sie wird verglast und zum Vorplatz hin ausgerichtet – so entsteht ein Raum, den man zeigen kann und sollte. Es sind Werkzeuge vorhanden und die Möglichkeit, ein Rad zu waschen. Dort werden also immer mal Leute am Werkeln sein und wenn man damit den Vorplatz mitgestalten kann, ist das eine schöne Situation. Der Innenhof belebt sich durch die Spielmöglichkeiten in der Regel von allein; die Belebung des Vorplatzes gelingt hoffentlich durch die Fahrradwerkstatt, wo Innen- und Außenräume in Kontakt kommen.

Neben Balance realisiert die RVI 3 weitere Projekte in FRANKLIN-Mitte. Was haben diese vier Projekte gemeinsam?

Es ist uns wichtig, dass die vier RVI-Projekte in FRANKLIN-Mitte eine Art Gebäudefamilie bilden und durch gewisse Merkmale miteinander verbunden sind. Drei unserer vier Projekte stammen von den Architekten von MVRDV, so dass für diese drei ohnehin eine gemeinsame Sprache entsteht. Balance, das wir selbst geplant haben, soll man als Teil dieser Familie erkennen. Wir haben auf FRANKLIN die Thematik der Farben, die alle RVI-Gebäude in Mannheim wie eine Art roter Faden verbinden. Die bunten Glasbalkone beim Balance greifen die bunten Balkone vom "Orbit", dem O der HOME-Skyline, auf und bilden so eine Verbindung zwischen den beiden Gebäuden. Im Moment überlegen wir, ob wir dieses Motiv auch in den Innenraum hineinziehen und die Treppenhäuser bei Balance farblich gestalten. Das würde auch eine Art Adressbildung ermöglichen. Das sind Kleinigkeiten, die ich auch im Prozess noch mitgestalten kann.

Die MWSP plant FRANKLIN als einen sehr bunten, vielschichtigen, integrativen Stadtteil. Wie spiegelt Balance diesen Anspruch?

Unser Gebäude steht diesem Anspruch in nichts nach. Wir haben 1-3 Zimmerwohnungen, die verschiedene Alters- und Familienkonstellationen zulassen. Im Erdgeschoss haben wir barrierefreie Wohnungen mit Zugang zum Hof, deren Flur- und Türbreiten und Badezimmer entsprechend ausgelegt sind. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind in direkter Umgebung, der zentrale Platz mit Nahversorgung ist in direkter Nähe und im Umfeld gibt es Kitas, Schulen und ein Ärztehaus – so dass das Gebäude eigentlich für alle Bewohner:innen gerüstet ist.

Was fasziniert Dich am Standort FRANKLIN?

Unsere Projekte dort gruppieren sich alle um den zentralen Platz in FRANKLIN-Mitte herum – das ist eine richtige Pole Position und auch vom Kontext her sehr interessant. Vom zentralen Platz kann man im Moment zwar noch nicht viel erkennen, aber die alte Kirche der US-Armee bleibt erhalten, so dass man sich gut verorten kann. Und es passiert dort gerade wahnsinnig viel. Wenn ich dort bin, sehe ich mir gerne andere Baustellen an. Es ist spannend zu sehen, wie andere Leute bauen, welche Fortschritte gemacht werden und was man selbst noch besser machen könnte. Man findet immer Inspiration.

Was ist das Besondere daran, auf dieser Konversionsfläche zu bauen?

Es ist eben nicht egal, wo man ein Gebäude hinstellt. Ich finde es immer gut, wenn Architektur nicht austauschbar ist, nicht überall stehen kann. Beim Hochpunkt "Orbit" zum Beispiel ist dieser Gedanke durch die Peripheriebauten relativ stark ausgeprägt, die mit dem Bestand interagieren. Es lebt von dem Kontext, in dem es steht – gerade von dem zentralen Platz, den es mit bespielen soll. Wenn man es irgendwo anders hinstellen würde, dann funktioniert das teilweise bei einem Solitärbau, der sich prinzipiell an keine Regeln hält. Aber natürlich kommt es auf das Gesamtkonzept an, auf das Zusammenspiel der monotonen Kasernenbauten mit der sehr ausgefallenen Architektur.

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