
Eine Achse öffentlichen Lebens
Freitreppe lädt ein ins Herz der Landmarke O
Da schwebt es heran, an den Stahlseilen eines Baukrans, an einem blauen Tag im Januar: Das erste Bauteil für den letzten architektonischen Akzent der Landmarke O im Mannheimer Stadtteil Franklin. Was da scheinbar schwerelos auf der Erde aufsetzt, sind die Stahlträger für die große Freitreppe des blauen Hochhauses in Buchstabenform – 6 Meter breit und 15 Meter hoch wird sie sein und geradewegs hinaufführen mitten in die Öffnung des O. Was anmutet wie ein Deus-ex-Machina-Effekt auf der Bühne Franklins, so überraschend und unwahrscheinlich ist das Geschehnis auf der Baustelle, ist nicht nur die Geburtsstunde eines architektonischen Elements, es ist eine ingenieurtechnische Meisterleistung.
Freitreppe als öffentlicher Erlebnisort
Hinter diesem Aufwand, man vermutet es gleich, verbirgt sich mehr als die rein logistische Absicht, eine Treppe zu errichten und ein Gebäude zu erschließen. Das O entstammt der Feder des international renommierten Architekturbüros MVRDV aus Rotterdam, das sich nicht zuletzt mit spektakulären Treppenführungen einen Namen gemacht hat. Bei MVRDV wird das Funktionale zum ästhetischen Element: Raus mit der Treppe aus der Verborgenheit des inneren Gebäudekerns und ran die vorderste Gebäudefront. Dort wird sie zum öffentlich sichtbaren Erlebnisort – sie macht die Fassade selbst begehbar und erschließt der Architektur somit eine weitere Ebene. Dem O verleiht die Freitreppe eine interaktive Oberfläche und lockt es heraus aus der monumentalen Passivität anderer Hochbauten: Sie unterstreicht die Ambition des O, ein Mitmachgebäude für ein lebendiges Stadtviertel zu sein.
Über Nacht gewachsen
Mit MVRDV ist die RVI bereits 2017 in die Planung für das O eingestiegen. Holger Heible, damaliger Projektentwickler und heutiger RVI-Geschäftsführer, lächelt fortwährend, wenn er von den ersten Planungssitzungen mit dem Architekten Winy Maas erzählt. „Die Geschwindigkeit der Ideenentwicklung war atemberaubend“, erinnert er sich. „Die Freitreppe, die wir jetzt installieren, ist über Nacht gewachsen. Am Vortag wiesen die Pläne fürs O noch keine Treppe aus, und in der Folgesitzung am nächsten Morgen war sie da!“ Wer sich ein wenig auskennt mit Bauen und mit Baukosten, der weiß auch, was die Umsetzung eines solchen architektonischen Akzents wirtschaftlich bedeutet. „Als Winy die Treppe vorstellte, haben die anderen Architekten und Investoren mich fragend angesehen: ‚ist die RVI tatsächlich mutig genug für sowas?‘“, lacht Heible. „Ich bin heute sehr glücklich, dass wir uns für die Treppe entschieden haben. Sie öffnet unser O für die Öffentlichkeit.“
Ins Herz der Landmarke und darüber hinaus
Beim O erfüllt die Freitreppe eine unmittelbar soziale Funktion: Sie lädt ein. Komm herauf, sagt sie, und schau, was du von hier aus sehen kannst. Tatsächlich führt sie hinauf in die Öffnung des Buchstabens O, wo sich auf Höhe des vierten Stocks eine Aussichtsterrasse, ein sogenanntes „öffentliches Wohnzimmer“, ausbreitet. Das angegliederte Bistro ist eine der 14 Gewerbeflächen des O, die das Gebäudeensemble für die Quartiersbewohner attraktiv und erlebbar machen. Schaut man von dort die Treppe entlang in die entgegengesetzte Richtung, eröffnet sich der Blick auf den grünen Hügel Franklins. Über die Treppe kommuniziert der Hügel auf gleicher Höhe mit der Terrasse des O – gemeinsam bilden sie eine Achse wirklichen öffentlichen Lebens. Denn mit seinen Rasenflächen soll auch der grüne Hügel die Bewohner Franklins zum Verweilen, Ruhen, Sonnenbaden, Spielen einladen.
Ein Ort der Begegnung
Das O als Ort der Begegnung, so haben es die Architekten von Anfang an geplant. Jeder der architektonischen Akzente des Gebäudeensembles trägt zum Erreichen dieser Vision bei. Freundlich, verspielt und lebendig wirkt das O durch seine kobaltblaue Klinkerfassade, von der sich die bunten Glasbalkone abheben; durch die großen Panoramafenster und die großzügigen Außenflächen; durch die verspiegelten Gebäudeflächen, die das Gebäude luftig erscheinen lassen; nicht zuletzt durch die Freitreppe, die das Quartier zum Besuch des öffentlichen Wohnzimmers einlädt. Heible sagt: „Dieses Projekt ist einzigartig in der 50-jährigen Firmengeschichte. So etwas gab es nicht zuvor und so etwas wird es für die RVI nicht mehr geben. Wir können selbst nicht glauben, was wir hier geschafft haben.“